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Unrealistische Erwartungen: Super(wo)man auf dem Chefsessel?
Auszug aus: Petra Begemann, Den Chef im Griff.
Eichborn Verlag, 4. Auflage 2009 (Seite 52 f.)

Das Karrieremagazin Bizz beauftragte vor einigen Jahren das Meinungsforschungsinstitut Forsa mit einer Erhebung unter mehr als 700 Beschäftigten zu der Frage, wie der „Traumchef“ aussähe. Ergebnis sind zum Teil verblüffend hohe Übereinstimmungen: 96 Prozent der Befragten wünschten sich einen Chef, der Kritik vertragen kann, 95 Prozent wollen ihn belastbar („breites Kreuz“), 94 Prozent halten Zuverlässigkeit für wichtig („konsequent und standfest“), 92 Prozent setzen sehr gute Fachkenntnisse voraus, 86 Prozent möchten ihn „offen und verständnisvoll“ (Motto: „ein Herz für seine Mitarbeiter“). Kurz gesagt: Super(wo)man im Management.

Manch einer sucht offensichtlich im Vorgesetzten die ideale Vaterfigur, die alles zu seinem Besten richtet und sich weder im Ton noch bei Sachentscheidungen jemals irrt. Und wer den Übervater, die Übermutter erwartet, wird durch die schnöde Realität natürlich umso drastischer enttäuscht. Er überschätzt vielfach nicht nur den Handlungsspielraum des Vorgesetzten, er wird auch dort Kränkung und Böswilligkeit vermuten, wo schlicht ‚menschliches Versagen‘ vorliegt. Fassen Sie sich einmal vorsichtig an die eigene Nase: Sind Sie Ihrem Chef gegenüber nicht auch weit kritischer als gegenüber einem Kollegen, dem ein Patzer unterläuft?

Da die Zahl der Supermenschen nicht eben groß ist (zählen Sie sich selbst eigentlich dazu?), drängt sich die ketzerische Frage auf: Geht’s nicht auch ‘ne Nummer kleiner? Sehen Sie also den Tatsachen ins Auge: Ihr Chef hat Fehler. Die hätte Ihr nächster Chef aller Wahrscheinlichkeit nach auch – wenn auch andere. Wie können Sie für sich das Beste daraus machen?

Im Folgenden werden etliche „Cheftypen“ vorgestellt und Tipps für eine geschickte „Chefbehandlung“ gegeben. Natürlich vereinfacht jede Typologie holzschnittartig und kann nicht alle Spielarten der Realität erfassen. Es wird Sie daher nicht überraschen, wenn Ihr Chef in keine der aufgezogenen Schubladen haargenau passt, sondern Eigenschaften verschiedener „Typen“ vereint. Vielleicht haben Sie es mit einem „Ausbeuter“ zu tun, der gleichzeitig tyrannische Züge trägt, oder mit einem Pedanten, der zudem menschliche Kontakte scheut, also zu den „Unnahbaren“ zählt? ‚Reine‘ Typen gibt es allenfalls in (schlechten) Filmen, nicht in der Wirklichkeit. Nehmen Sie die folgende „Typenlehre“ deshalb nicht als unumstößliches Raster, sondern als Illustration gängiger „Chefprobleme“, die Ihnen hoffentlich die eine oder andere Hilfestellung bieten kann.

Das Grundrezept für erfolgreiches „Chefmanagement“ basiert dabei zum einen auf Selbstbewusstsein und Fairness Ihrerseits. Wer kooperative Führung erwartet, muss sich als kompetenter Partner empfehlen; wer mit Respekt behandelt werden will, darf sich die gewünschte Achtung nicht durch ‚unreifes‘ Verhalten verscherzen. Bei einem Vorgesetzten mit wirklicher Führungseignung haben Sie allein damit schon gewonnen. Wenn Sie zum anderen noch lernen, die persönlichen Eigenheiten Ihres Vorgesetzten einzuschätzen und zu berücksichtigen, sollten Sie ihn tatsächlich „im Griff“ haben. Bei etwas heikleren Charakteren verlangt das mehr Anstrengung, aber auch hier werden Sie mit „typgerechter“ Chefführung bald Erfolge erzielen. Denn: Spontane Reaktionen sind durchaus nicht immer die besten, mit strategischem Verhalten kommen Sie in den meisten Fällen weiter.


Kleines Chefbrevier:
Cheftypen und wie man sie auf die Palme bringt

1. Ahnungslose: Dilbert lässt grüßen
Scott Adams ist sich sicher: Das „Peter-Prinzip“, dem zufolge jeder exakt bis zu der Hierarchiestufe befördert wird, auf der seine Kompetenz nicht mehr ausreicht, beschreibt die moderne Arbeitswelt nicht mehr zutreffend. Für ihn regiert längst das „Dilbert-Prinzip“, das besagt, „dass die unfähigsten Arbeiter systematisch dorthin versetzt werden können, wo Sie den geringsten Schaden anrichten können: ins Management“ (Scott Adams, Das Dilbert Prinzip, Heyne 1999, S. 21). Hier mag einiges auf das Konto satirischer Freiheit gehen; und eine Statistik über „Idioten, die ins Management befördert werden“ (ebd., S. 20), ließ sich leider nicht auftreiben. Dennoch: Es gibt sie – die Chefs, bei denen man sich ratlos fragt, wem sie ihre Vorgesetztenposition verdanken. Fachwissen, Kreativität oder soziale Kompetenz können es jedenfalls nicht sein. Das Karrieremagazin Bizz beschrieb solche Chefs einmal drastisch als „Geisterfahrer“ und mutmaßte, sie verdankten Ihre Stellung meist Beziehungen.

Zum Feind machen Sie sich diesem Chef am schnellsten, wenn Sie ihm direkt oder indirekt signalisieren, was Sie von ihm halten. Sehr „effektiv“ kann auch eine Bloßstellung vor Zeugen sein: Widerlegen Sie in einem Meeting mit wenigen glasklaren Argumenten seine Darstellung, sorgen Sie dafür, dass selbst Teilnehmer, die in Gedanken noch bei der Grillparty vom Wochenende sind, mitbekommen: Ihr Vorgesetzter hat einfach keine Ahnung. Ihr Triumphgefühl verraucht spätestens dann, wenn er Ihnen ab jetzt einen Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine wirft.

Jeder Vorgesetzte erwartet von Ihnen neben der Erfüllung Ihrer Arbeitsaufgaben Loyalität und die Anerkennung seiner Autorität. Dass diese womöglich auf tönernen Füßen steht, ändert an der Grunderwartung nichts. Auch wenn es schwer fällt: Beißen Sie sich deshalb lieber die Zunge ab, als Sätze zu sagen wie „Aber Chef, das sind doch völlig unrealistische Grundannahmen!“; „Unter diesen Voraussetzungen kann man nicht arbeiten!“; „Wollten Sie nicht den finanziellen Rahmen klären?!“; „Sie irren sich...“. Mangelnde Kompetenz fordert förmlich dazu heraus, zu dozieren, zu korrigieren und zu ermahnen – mit anderen Worten: Ihr Gegenüber Ihre Überlegenheit spüren zu lassen. Ihr Chef wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach rächen.

(…)

Dr. Petra Begemann
Dr. Petra Begemann   Bücher für Wirtschaft + Management • Ghostwriting   http://www.petrabegemann.de